„Kommt es vor, dass irgendetwas beim Schreiben passiert und Sie die Geschichte ändern müssen?“, möchte die Schülerin einer 7. Klasse von dem Kinderbuchautor Davide Morosinotto wissen. Das geschehe sogar sehr häufig, antwortet er. „Manchmal kommen die Figuren um und ich kann die Geschichte nicht weiterschreiben. Dann landet sie auf dem ‚Friedhof‘, einem Ordner auf meinem Computer“. Glücklicherweise ist den Figuren seiner beim 18. ilb vorgestellten Romane ein anderes Schicksal beschieden. Der jüngste, Verloren in Eis und Schnee, handelt von einem Geschwisterpaar, das während der Evakuierung Leningrads im zweiten Weltkrieg auseinandergerissen wird und beim Versuch, wieder zueinander zu finden, halb Russland durchqueren muss. In seinem Vorgänger Die Mississippi-Bande machen sich vier Freunde im frühen 20. Jahrhundert von den Südstaaten Amerikas auf in den Norden, um auf die Spur einer kaputten, aber wertvollen Taschenuhr zu kommen. In beiden Geschichten gehe es darum, die Regeln zu brechen und dem Gewissen zu gehorchen, wenn einen die Umstände dazu zwingen sollten, sagt Morosinotto. Genau das rät der fiktive Übersetzer der Geschichte zu Beginn auch seinen Leser*innen. Man solle das Buch heimlich lesen, da die Figuren darin trinken, rauchen und andere für ihr Alter schändliche Dinge tun würden. Dem deutschen Verlag war dies wohl zu viel Ungehorsam, sodass er die Seite für die deutsche Ausgabe kurzerhand herausnahm. Nicht unbedingt nachahmenswert muss für elterliche Ohren auch Morosinottos Antwort auf die Frage klingen, wie er zum Schreiben gekommen sei. „Ich ging noch zur Schule und wollte ein Moped kaufen, aber ich hatte kein Geld. Dann sah ich eine Ausschreibung für einen Schreibwettbewerb mit einem hohen Preisgeld. Ich bekam nur den Trostpreis, der aber reichte, um mir ein altes Moped für 50 Euro zu kaufen. Dieses explodierte kurz darauf während der Fahrt, aber ich war der Meinung, dass mein Plan doch irgendwie aufgegangen war“. Morosinotto weiß zu unterhalten. Auf allen drei Lesungen hing das Publikum an seinen Lippen, und an meinen, denn ich habe seine pointierten Antworten gedolmetscht und dabei waren Timing und Wortgewandtheit alles, denn sie kamen wie aus der Pistole geschossen.

Die Mississippi-Bande (2017) und                    Verloren in Eis und Schnee (2018),          übersetzt von Cornelia Panzacchi, erschienen bei Thienemann.

 

 

Foto: Tamara Casula